LUDWIG LINDEN

Statement

 

Das Leben besteht tagtäglich aus unzähligen Situationen, Handlungen und Phänomenen, die ich mehr oder weniger bewusst wahrnehme und erlebe. Darunter sind wichtige und unwichtige, geplante oder spontan auftretende, gemeisterte oder unbewältigte, für den Moment oder für die Zukunft bedeutende.

 

Manche davon lösen in mir den Wunsch aus, sie festzuhalten und näher zu betrachten, um die inhaltlichen und formalen Aspekte daraufhin zu untersuchen, ob sie möglicherweise in Beziehung zu setzen sind mit meinen innersten Bedürfnissen und Werten; und wenn ja, in welcher Form ich dies zum Ausdruck bringen kann.

 

Zu jeder Zeit und in jeder Umgebung können schöpferische Impulse auftreten, die sich zur gestalterischen Umsetzung eignen. Letzteres speziell dann, wenn Inhalt und Form sich wechselseitig verstärken und zu einer sinnlich-sinnvollen Einheit gelangen können.

Wichtig ist für mich, geeignete Orte aufzusuchen, in denen solche Situationen entstehen und sich entwickeln können, diese dann zu erkennen bzw. schon ahnen zu können, ob etwas für mich Verwertbares dabei herauskommt.

 

Dabei kann jeder Ort und jede Situation für mich wichtig sein.

 

 

Das Ideale technische Mittel hierfür bietet mir die digitale Fotografie. Damit kann ich mir im Wortsinne ein Bild von der Situation machen und für die weitere Verarbeitung speichern. Erfahrung bei der Einschätzung der Situation und beim technisch-handwerklichen Prozess sind dabei Bedingung.

Das Foto dient als Vorlage für die Umsetzung - hauptsächlich in Öl oder Acryl – des Motivs auf Leinwand, Holz oder Papier.

Auch wenn dieses Motiv wiederzuerkennen ist, unterscheidet sich das Bilderlebnis durch den Prozess von geistiger Aneignung und materieller Transformation in ein anderes Medium doch grundlegend von einem Foto.

 

Das Spannende im Verlauf des Schaffensprozesses ist einmal das Warten auf den Augenblick der Inspiration, das Beobachten und Erkennen einer Situation und dabei eine eigene Empfindsamkeit zu spüren.

Des Weiteren das Entstehen eines Werkes aus Fotos, Skizzen,

Zeichnungen, der Umgang mit dem Material, das Ringen um Konzeption, Komposition und Farbauswahl.

Und last but not least, die Präsentation des Ergebnisses und die Reaktion der Menschen, die wiederum auf meine künstlerischen Arbeit zurückwirkt.

 

Grundsätzlich bin ich an allen Kunstrichtungen und Techniken interessiert. Neben der Öl- und Acrylarbeiten arbeite ich mit diversen Techniken wie Bleistift, Aquarell, Collage, Skulptur, Installation und Fotografie. Die Bandbreite der Themen reicht von abstrakten Farbstudien bis zu realistischen Porträts, Stillleben und Landschaftsdarstellungen, sowie dokumentarischen Arbeiten mit gesellschaftskritischen Intentionen.

 

 

Mein besonderes Interesse gilt allerdings der morph-surrealen Kunst, die ich im Folgenden beschreiben werde:

 

 

Morph / Morph-Surreal

Morph bezeichnet in meiner Arbeit eine formorientierte Kunst, in der die Form selbst im Mittelpunkt steht: organisch wirkende, fließende und oft undefinierte Gebilde, die zwischen Figuration und Abstraktion oszillieren. Morph ist damit in erster Linie Morphologie — Studien von Linie, Volumen, Oberfläche und Verhältnis. Morph-Surreal dagegen verbindet diese morphologischen Strukturen mit gezielten surrealen Eingriffen: Verfremdung, imaginative Transformationen und traumartige Suggestionen werden zur formalen Absicht.

 

Kurz gesagt:

 

Morph = reine Form

Morph-Surreal = Form + surreale Imagination

 

Entstehung und Arbeitsweise

Morph-Surreale Plastiken entstehen bei mir auf zwei Wegen: erstens aus Visionen, die ich als zeichnerische Bildvorlagen auf DIN A2 Skizzenblättern festhalte, zweitens direkt am Arbeitstisch durch intuitives Modellieren im Ton ohne Vorzeichnung. Bei reinen Morph-Studien dienen Zeichnung und Modell gleichermaßen dem Formverständnis: Linien, Volumen und Oberflächen werden analysiert und in keramischem Hohlaufbau umgesetzt. Bei Morph-Surrealen Arbeiten enthalten Skizzen bereits bewusste Verfremdungen — verschobene Proportionen, hybride Übergänge, metamorphe Details — die ich im Hohlaufbau gezielt in Form übersetze. Arbeite ich ohne Vorzeichnung, erlaubt mir der Ton, im Prozess visionäre Eingebungen sofort aufzunehmen; so entstehen plastische Überraschungen, die die Grenze zwischen geplantem Entwurf und spontaner Metamorphose verwischen.

 

Technik: Hohlaufbau, Ton und Bronzeguss

Material und Technik sind in beiden Varianten gleich: keramischer Hohlaufbau mit Ton/Terrakotta als Ausgangspunkt, gefolgt von Brennvorgang und optionaler Überführung in Bronze. Der Hohlaufbau bietet meinem handwerklichen Können die Möglichkeit, während des Aufbauprozesses Korrekturen vorzunehmen, auszubessern und Formen bewusst zu verändern. Bei reinen Morpharbeiten nutze ich diese Technik, um Formsprache, Proportion und Oberfläche klar und exakt herauszuarbeiten. Bei Morph-Surrealen Plastiken setze ich denselben technischen Ablauf ein, jedoch mit dem Ziel, verfremdete, feingliedrige morphologische Details und überraschende Übergänge zu betonen — die Technik dient hier der Verstärkung der surrealen Wirkung.

 

Formcharakteristik und Oberflächengestaltung

Morph-Plastiken zeichnen sich durch fließende, oft organisch wirkende Strukturen aus, die eher formanalytisch denn erzählerisch sind. Die Oberflächen können glatt oder rau ausgearbeitet sein, je nachdem, welche Formwirkung erzielt werden soll. Morph-Surrealen Plastiken liegt dagegen eine doppelte Absicht zugrunde: die organische Form an sich und die bewusste visuelle Irritation. Hier werden organische Verläufe mit nicht-organischen Elementen kombiniert, anatomische Andeutungen auftauchen, Übergänge zu „unmöglichen“ Formen werden ausgearbeitet. Die Oberfläche dient nicht nur der Formbetonung, sondern auch der Erzeugung von Suggestionen — sie kann Details hervorheben, die an Lebewesen erinnern, oder durch abrupte Brüche die surreale Lesart verstärken.

 

Visuelle Wirkung und Bedeutung

Bei Morph-Arbeiten steht die körperhafte Präsenz der Form im Vordergrund: das Werk ist Selbstzweck, offen für Interpretation, doch ohne intendierte Erzählung. Morph-Surreal erweitert diese Präsenz um eine poetisch-traumhafte Ebene. Verformung und Transformation erzeugen Assoziationsräume, in denen Figuren, Organismen oder imaginäre Wesen anklingen — mal suggestiv an das Lebendige erinnernd, mal vollständig abstrakt und dennoch erzählend. Während Morph den Betrachter auf die Analyse von Form und Material einlädt, fordert Morph-Surreal zusätzlich die Vorstellungskraft heraus: Es entsteht eine Traumlogik, eine visuelle Poesie, die das Formale mit dem Imaginären verbindet.

 

Mischformen und Übergänge

Die Grenze zwischen Morph und Morph-Surreal ist nicht zwingend scharf; viele Arbeiten bewegen sich auf einem Kontinuum. Eine Plastik kann primär eine morphologische Studie sein und gleichzeitig subtile surreale Akzente tragen. Entscheidend ist die Intention: Ist die Verfremdung bewusst als erzählerisches Element eingesetzt, spreche ich von Morph-Surreal. Bleibt das Werk hingegen formanalytisch und intendiert keine Imagination, bleibt es Morph.

 

Prozesskette: Ton → Terrakotta → Bronze

Der Arbeitsprozess beginnt stets mit der modellierten Masse im Ton und dem Hohlaufbau. Nach Trocknung und Brennen wird die Keramik (Terrakotta) versteinert; bei Wunsch nach Dauerhaftigkeit und anderer Materiality folgt die Überführung in Bronze durch Bronzeguss. Dieses aufwändige Verfahren bewahrt feine morphologische Details — sowohl in reinen Morph-Studien als auch in morph-surrealen Kompositionen — und macht die plastischen Eigenschaften nachhaltig sichtbar.

 

Fazit

Morph-Strukturen zeigen eine faszinierende Symbiose aus Technik, Form und Ausdruck. Morph steht für reines Formstudium: tonaler Hohlaufbau, organisch-fließende Formen, formanalytische Präsenz. Morph-Surreal nutzt dieselben technischen Mittel, erweitert sie jedoch bewusst um imaginative Verfremdung, Traumlogik und poetische Suggestion — die Form bleibt zentral, erhält aber eine zusätzliche, erzählerisch-surreale Schicht.

 

Ludwig Linden

Köln, den 06.11.2025

 

 

 

 

 

Statement

 

Life consists daily of countless situations, actions and phenomena that I perceive and experience more or less consciously. Some of them are important or unimportant, planned or spontaneous, mastered or unresolved, meaningful only for the moment or significant for the future.

 

Some of these situations trigger in me the desire to capture them and take a closer look in order to examine their content and formal aspects. I want to understand whether they might relate to my innermost needs and values — and if so, in what form I can express this.

 

Creative impulses can arise at any time and in any environment, suitable for artistic implementation — especially when content and form mutually reinforce each other and can result in a sensually meaningful unity.

It is important for me to seek out places where such situations can arise and develop, and to recognize or sense in advance whether something valuable for my work might emerge.

 

Any place and any situation can be important to me.

 

 

The ideal technical tool for this is digital photography. It allows me to literally create an image of a situation and store it for further processing. Experience in assessing the situation and in the technical-craft process is essential.

The photograph serves as a template for transferring the motif — mainly in oil or acrylic — onto canvas, wood or paper.

Even if the motif remains recognizable, the viewing experience differs fundamentally from that of a photograph, due to the process of mental appropriation and material transformation into another medium.

 

The exciting aspects of the creative process include waiting for the moment of inspiration, observing and recognizing a situation while sensing my own receptiveness.

Furthermore, the emergence of a work from photos, sketches,

drawings, and the handling of the materials, the struggle with concept, composition, and color selection.

And last but not least, the presentation of the result and the reaction of people — which in turn influences my artistic work.

 

Basically, I am interested in all art forms and techniques. In addition to oil and acrylic, I work with various techniques such as pencil, watercolor, collage, sculpture, installation and photography. The range of themes extends from abstract color studies to realistic portraits, still lifes and landscapes, as well as documentary works with socio-critical intentions.

 

 

My particular interest, however, lies in morph-surreal art, which I will describe below:

 

 

Morph / Morph-Surreal

Morph, in my work, denotes a form-oriented art in which form itself is central: organically appearing, flowing and often undefined structures that oscillate between figuration and abstraction. Morph is therefore primarily morphology — studies of line, volume, surface and relation. Morph-Surreal, on the other hand, combines these morphological structures with deliberate surreal interventions: alienation, imaginative transformations and dreamlike suggestions become intentional formal elements.

 

In short:

 

Morph = pure form

Morph-Surreal = form + surreal imagination

 

Emergence and Working Method

Morph-Surreal sculptures arise in two ways: first, from visions that I capture as drawn image templates on DIN A2 sketch sheets; second, directly at the worktable through intuitive clay modeling without prior drawing. In pure Morph studies, drawing and modeling serve equally to understand form: lines, volumes and surfaces are analyzed and transferred into a ceramic hollow structure. In Morph-Surreal works, the sketches already contain deliberate distortions — shifted proportions, hybrid transitions, metamorphic details — which I translate into form during the hollow-building process. When working without prior drawing, the clay allows me to incorporate visionary impulses immediately; in this way, sculptural surprises emerge that blur the boundary between planned design and spontaneous metamorphosis.

 

Technique: Hollow Construction, Clay and Bronze Casting

Material and technique are the same in both variants: ceramic hollow construction with clay/terracotta as the starting point, followed by firing and optional transformation into bronze. The hollow construction enables me, through craftsmanship, to make corrections during the building process, refine and deliberately alter forms. In pure Morph works, this technique helps me to articulate form language, proportion and surface clearly and precisely. In Morph-Surreal sculptures, I use the same technical process with the aim of emphasizing distorted, finely structured morphological details and surprising transitions — here, the technique strengthens the surreal effect.

 

Form Characteristics and Surface Design

Morph sculptures are characterized by flowing, often organic structures that are more analytical than narrative. The surfaces may be smooth or rough, depending on the intended form effect. Morph-Surreal sculptures, on the other hand, follow a dual intention: the organic form itself and the deliberate visual irritation. Organic flows merge with non-organic elements; anatomical hints emerge; transitions to “impossible” forms are developed. The surface not only enhances the form, but also creates suggestion — it may highlight details reminiscent of living beings or reinforce surreal interpretation through abrupt contrasts.

 

Visual Effect and Meaning

In Morph works, the physical presence of the form is central: the piece is self-contained, open to interpretation but without intended narrative. Morph-Surreal expands this presence with a poetic, dreamlike dimension. Deformation and transformation create associative spaces in which figures, organisms or imaginary beings appear — sometimes reminiscent of the living, sometimes fully abstract yet nonetheless evocative. While Morph invites the viewer to analyze form and material, Morph-Surreal challenges the imagination: a dream logic emerges, a visual poetry connecting the formal with the imaginary.

 

Hybrid Forms and Transitions

The boundary between Morph and Morph-Surreal is not necessarily sharp; many works exist on a continuum. A sculpture may primarily be a morphological study and still carry subtle surreal accents. The decisive factor is intention: if distortion is used as an expressive element, I speak of Morph-Surreal. If the work remains form-analytical with no intended imagination, it remains Morph.

 

Process Chain: Clay → Terracotta → Bronze

The working process always begins with the modeled clay mass and the hollow construction. After drying and firing, the ceramic (terracotta) becomes stone-like; if durability and another material quality are desired, the piece is transformed into bronze by casting. This elaborate process preserves fine morphological details — in both pure Morph studies and Morph-Surreal compositions — and makes the sculptural qualities permanently visible.

 

Conclusion

Morph structures show a fascinating symbiosis of technique, form and expression. Morph stands for the pure study of form: tonal hollow construction, organic-flowing shapes, analytical presence. Morph-Surreal uses the same technical means but deliberately expands them with imaginative distortion, dream logic and poetic suggestion — the form remains central yet gains an additional narrative-surreal dimension.

 

Ludwig Linden

Cologne, November 6th, 2025

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